Drei gute Gründe

Warum Listen mit Tipps im Internet folgenlos bleiben

Wenn es doch nur so einfach wäre. Zu nahezu allen wichtigen und unwichtigen Lebensfragen findet man heute in Blogbeiträgen wie diesem eine Liste an Tipps, wie man sich im Idealfall verhalten sollte, um grösstmögliche Erfolge zu erzielen. Und das Beste: diese Ratschläge sind nicht einmal schlecht. Kurz und prägnant geschrieben erfüllen sie (fast) alle Wünsche, die ein Internetleser haben könnte, und bewirken – nichts.

Längst könnten wir bei der Stellensuche jedes Mittelmass verlassen haben. Um gelungene Bewerbungsschreiben müssten wir uns keine Sorgen mehr machen. Die Vorschläge der Blogger sind nicht nur zahlreich, sondern oft genug auch wertvoll. Bewerbungsgespräche müssten für alle Beteiligten die reinste Freude geworden sein, denn gut vorbereitete Bewerber müssten eigentlich auf professionelle Interviewer treffen. Die Realität sieht leider anders aus.

Auch bei der Führung von Mitarbeitenden, im Umgang mit schwierigen Zeitgenossen, bei der Bekämpfung von Stress und anderen Herausforderungen müssten wir längst ein Niveau erreicht haben, das uns ein freudvolles Leben garantiert. Wie im wirklichen Leben verhallen gute Ratschläge zumeist ungehört.

Hier sind die drei guten Gründe, warum die geballte Intelligenz der Blogger an uns meist so folgenlos vorbeirauscht:

1. Eine Marketingidee, die Konsumenten fesseln soll und mehr nicht

Die Faustformel, mit einer überschaubaren Anzahl an Umsetzungstipps am Ende eines Vortrags einen Köder mit verkaufsfördernden Argumenten auszuwerfen, gab es schon lange vor den Internetbloggern. 10 Schritte auf dem Weg zum Lean Management, 5 Stufen zur Prozessorganisation und dergleichen mehr waren immer schon perfekte Lockvögel. Wer dann ohne die professionelle Hilfe des Autors selbst loslegen wollte, stellte schnell fest, dass jede einzelne Stufe, jeder Schritt und jeder Tipp doch ein Vielfaches an Erklärung benötigt. Vereinfachungen in Form von Listen helfen, in ein Thema einzusteigen. Für dessen nachhaltige Umsetzung jedoch sind sie denkbar ungeeignet.

2. Wissen und Verhalten sind im Gehirn unverbunden

Laut dem Neurobiologen Gerhard Rothmüssen wir davon ausgehen, dass Wissen um einen Sachverhalt alleine nicht ausreicht, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Im Gehirn operieren unverbunden Strukturen. So verhindert alle Intelligenz nicht, manchmal törichte Dinge zu tun. Nur wenn sich eine enge emotionale Verknüpfung herstellen lässt, wird aus Wissen Handlung. Blogbeiträge werden jedoch meist nur kurz überflogen. Sie sind wie die Häppchen beim Apéro: eine Nebensache, die man zwar wahrnimmt, an die man sich aber schon wenige Minuten später nicht mehr erinnern kann.

3. Die Intentions-Verhaltenslücke bleibt unbeachtet

Wenn jemand am Ende doch einen Ratschlag umsetzt, hat dies meist eine längere Vorgeschichte. Aus der Sportpsychologie kennen wir die Intentions-Verhaltenslücke, an der so viele gute Vorsätze scheitern. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, heisst nicht umsonst ein bekannter Klagesatz des Volksmunds. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Willenskraft tatsächlich auch auf physiologischen Faktoren wie dem Glukosegehalt im Blut beruhen. Forscher konnten zudem nachweisen, dass gute Vorsätze nur dann mit hohen Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden, wenn mindestens 8 verschiedene Methoden zur Unterstützung eingesetzt werden. Um hier weiterzukommen, muss man leider etwas mehr Energie aufbringen als das reine Überfliegen eines Blogbeitrags.

Sollte man nun niemals mehr Blogbeiträge lesen? Aber nicht doch. Als eine von vielen kleinen Anregungen(Nudges2)zu einem Thema erzielen sie manchmal doch eine Wirkung, wie aktuelle Forschung zeigen konnte. Gute Unterhaltung bieten sie allemal.

Autor: Christoph Lindinger


Quellen:

Gerhard Roth, Alicia Ryba: Coaching, Beratung und Gehirn, Klett-Cotta, 2016
2 Richard H. Thaler, Cass R. Sunstein, Nudge: Improving decisions about health, wealth, and happiness Yale University Press, New Haven, CT, 2008, 293 pp,