Lebenslanges Lernen

Selbstverständlichkeit oder Illusion

Dass lebenslanges Lernen ein Teil der Arbeitswelt sein sollte, bestreitet heute niemand mehr. Offen sind die vielen Optionen wie dieses Lernen gestaltet werden kann.
Mit Dr. Verena Müller, Head of Talent, Development and Culture der Kistler AG suchten wir im 10. Skillstalk nach Antworten.

Gerade im Hightech-Bereich, in dem die Kistler AG mit ihrer Sensortechnologie unterwegs ist, befindet man sich mit Neuerungen oft auf der Überholspur. Stillstand führt hier unweigerlich zu Rückschritt. Gleichzeitig muss man höllisch aufpassen, nicht in eine ungesunde Atemlosigkeit zu verfallen. Den Boden für eine nachhaltige Lernkultur zu bereiten, sieht Verena Müller entsprechend als eine ihrer Kernaufgaben. Hier verbinden sich die drei Themen ihrer derzeitigen Aufgabe – Talent – Lernen und Kultur. Im Bestenfall können sich alle drei gegenseitig befruchten und eine positive Dynamik entfalten. Fehlt es an einem der drei Säulen, geraten die Anstrengungen schnell ins Stocken.

Lebenslanges Lernen ist auch ein persönliches Leitmotiv unserer Gesprächs-partnerin. Nach der Dissertation wechselte sie in die Industrie, führte dort zunächst die Weiterbildungsakademie des Verkaufs und später auch des Service eines grossen ostschweizer Technologiekonzerns. Sie bildete sich weiter auf dem Sektor moderner Lernmethoden und übernahm die Aufgabe bei Kistler, um einen eher traditionell ausgerichteten Bereich in Richtung Zukunft weiterzuentwickeln.

Wer sich heute wundert, wo die Abteilungen der Personalentwicklung geblieben sind, die in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhundert aus dem Boden gestampft wurden, sieht sich heute mit Learning& Development Teams konfrontiert. Es ist nicht alter Wein in neuen Schläuchen. Der technologische Fortschritt hat gerade auf diesem Gebiet ungeheure neue Möglichkeiten eröffnet. Lernen ist gleichzeitig zu einem Schlüsselwort geworden, ohne dass moderne Arbeit überhaupt nicht mehr denkbar ist.

Allerdings trifft auch hier zu, was in vielen Themen rund um Kultur und Zusammenarbeit zu beobachten ist. «Common sense, but not common practice» wie es der amerikanische Psychologe Richard Boyatzis so treffend beschrieb.

Dass Kistler den Mitarbeitern eine grosse Zahl an Zugängen von LinkedIn Learning ermöglicht, ist ein wichtiger Schritt zum vom Arbeitgeber geförderten selbstbestimmten Lernen. Es muss auch genutzt werden. In einem weiterbildungsaffinen Land wie der Schweiz sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein. Das übergrosse Angebot macht es jedoch auch schwer, den für sich richtigen Weg zu finden.

Verena Müller ist bei Kistler zudem noch Vorreiterin für das Thema psychologische Sicherheit. Mit ihrem Team stellte sie sich dem Messinstrument Fearless Organisation Scan, mit dem das Niveau dieser wichtigen Zusammenarbeitsqualität sichtbar wird. Auch dies ist ein Lernschritt. Ein Lernschritt, von dem nicht nur einzelne profitieren, sondern das gesamte Team. Learning on the Job erhält damit eine neue Bedeutung. Es geht gerade hier nicht nur um Fachlichkeit, sondern auch um die berühmten weichen Faktoren. Nicht umsonst sind Themen wie Self-Leadership derzeit besonders nachgefragt. Fachliche Weiterbildung, Teamlernen und Self-Leadership ergeben eine tragfähige Lernlösung für anspruchvolle Tätigkeiten. In diesem balancierten Mix liegt die Zukunft des lebenslangen Lernens.

Autor: Christoph Lindinger