Bitte Handlauf benutzen – wirklich?

Wer sich mit dem Thema Arbeitssicherheit beschäftigt (und wir hoffen, dass dies jede und jeder tut), kommt unweigerlich an den Punkt, an dem man auch das Treppensteigen sicherer machen möchte. Wir wissen aus vielen Statistiken, dass sich hier ein Unfallschwerpunkt befindet. Erstaunlicherweise sogar mehr die Treppe hinauf als die Treppe hinunter. In vielen Unternehmen findet sich daher ein Schild, ein Warnhinweis oder ein Aufkleber mit dem Hinweis: Handlauf benutzen. Wer genauer hinschaut, wird vermutlich damit die meistignorierte Aufforderung nach Schildern zu Parkverboten vorfinden.

Warum bloss? Fragt man die Person, die gerade die Treppe hinaufsteigt, warum sie nicht den Handlauf benutzt, hört man eine Vielzahl an Argumenten, die meist das Verhalten im Nachhinein rechtfertigen sollen. Unhygienisch, lautet vielfach eine Antwort, ich bin doch kein Senior, eine andere Begründung. In den meisten Fällen wurde der Hinweis einfach übersehen oder sogar gar nicht erst verstanden. Ausserdem gewöhnen wir uns an Warnungen, wenn sie dauerhaft ohne Folgen bleiben.

Obwohl das Unfallrisiko besteht, ist es doch im Vergleich gering und so halten wir uns alle für professionelle Treppensteiger, die keine weitere Hilfe benötigen. Das geht so lange gut, bis es dann einmal nicht funktioniert. Die Folgen können leider drastisch sein.

An dieser Stelle setzt ein Konzept ein, das wir «verhaltensorientierte Arbeitssicherheit» nennen oder der englischen Formulierung folgend BBS «behavioral based safety». Es versucht sicheres Verhalten mit positiver Verstärkung zu fördern. Die 5 Schritte dazu sind auf den ersten Blick verhältnismässig einfach:

  1. Definiere sichere Verhaltensweisen (z.B. beim Treppensteigen den Handlauf benutzen)
  2. Ermittele eine Basisrate (wie viele Mitarbeitende nutzen wirklich den Handlauf in einem zufällig ausgesuchten Zeitraum
  3. Definiere ein Ziel (am besten mit Meilensteinen, damit man realistische Fortschritte erzielen kann)
  4. Gebe positive Verstärkung, wenn das Verhalten gezeigt wird und korrigierendes und immer wertschätzendes Feedback, wenn es nicht gezeigt wird
  5. Visualisiere den Fortschritt

Was einfach klingt, ist in der Realität leider nicht ganz so einfach umzusetzen. Es fängt schon bei vielen Missverständnissen zu sicherem Verhalten an. Eine solche Definition muss konkret und unmissverständlich sein. Das Beobachten von Verhalten stellt einen vor die nächste Herausforderung. Beobachtet zu werden als hilfreich zu erleben, ist in wenigen Unternehmen der Alltag.

Die grösste Hürde aber ist die Führungskultur in einer Organisation. Wenn grundsätzlich wenig Wertschätzung gezeigt wird, werden positive Verstärkungen eher als Alibiübungen oder gar als unechtes Verhalten betrachtet. Es könnte schon ein erster Schritt sein, wenn man den Hinweis zum Handlauf mit einem «bitte» beginnt.